Das "COMI" im Kontext der EU-Insolvenz

Im Zusammenhang mit der EU-Insolvenz, also mit der Privatinsolvenz in einem europäischen Land, ist immer wieder vom "COMI" die Rede. Damit ist das "Center of Main Interest" gemeint. Hierbei geht es um die Frage, wo der Schuldner seinen Lebensmittelpunkt bzw. seinen sogenannten Verwaltungsmittelpunkt hat.

Der Lebensmittelpunkt und seine Bedeutung im Insolvenzverfahren

Innerhalb der Europäischen Union ist nicht nur die Personenfreizügigkeit und somit die freie Wahl des Wohnsitzes gewährleistet. Schuldner können damit auch eine Privatinsolvenz im Ausland absolvieren. So ist gemäß § 3 EuInsVO das Insolvenzgericht in dem Land für die Insolvenz zuständig, in dem der Schuldner den "Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen" hat.

Insolvenzrecht an Ihrem Wohn- und Arbeitsort von Belang

Für das Insolvenzverfahren bedeutet dies jedoch nicht, dass Sie sich den Mitgliedsstaat der EU mit dem für Sie günstigsten Insolvenzrecht aussuchen können, sondern schlichtweg, dass das die Insolvenzeröffnung dort erfolgt, wo Sie das "COMI", also Ihren Lebensmittelpunkt, haben. Ein regelrechter Insolvenztourismus ist also nicht erlaubt.

Der Lebensmittelpunkt - für Dritte feststellbarer Ort der "Verwaltung"

Für die Rechtsprechung stellt sich in diesem Zusammenhang mitunter die Frage, wo sich der Lebensmittelpunkt eines Schuldners wirklich befindet. Das Gesetz definiert das COMI als Ort, "an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist".

In einem spanischen Ferienhaus drei Wochen im Jahr Urlaub zu machen, reicht also nicht aus, um in Spanien das Insolvenzverfahren zu durchlaufen und die Restschuldbefreiung zu beantragen.

Hinsichtlich der Insolvenzen in Irland oder England weisen wir daher immer wieder darauf hin, dass Schuldner für eine EU-Insolvenz tatsächlich auch umziehen müssen, sofern sie nicht bereits im entsprechenden Ausland wohnen.

Diese Anforderungen sollten Sie für das COMI im Rahmen von Insolvenzen erfüllen

Laut der europäischen Insolvenzverordnung muss ein Schuldner mindestens sechs Monate in einem Mitgliedstaat leben, damit das COMI als dort bestehend betrachtet werden und die Insolvenz dort eröffnet werden kann. Dieser Zeitraum gilt für eine natürliche Person. Für Selbständige oder Freiberufler nennt die Insolvenzverordnung einen Zeitraum von drei Monaten.

Damit ist aber noch nicht ganz klar, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit tatsächlich von einem bestehenden Center of Main Interest ausgegangen werden kann. Allerdings gibt es gewisse Anhaltspunkte, die das Gericht prüfen wird und die somit über das Insolvenzverfahren und die Zuständigkeit entscheiden.

Den Wohnsitz belegen können

Ein Anhaltspunkt ist ganz klar der Wohnsitz. Haben Schuldner keinen Mietvertrag und keine ausgehenden Mietzahlungen an dem Ort, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, wird es schwer werden, dort einen Lebensmittelpunkt nachzuweisen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sie sich ausschließlich an Ihrem Wohnort aufhalten müssen. Es bedeutet aber, dass dies der Ort ist, von dem aus Sie Ihr Leben führen.

Ein Außenhandelsvertreter, der das ganze Jahr lang für die Ausübung seiner Tätigkeit reist, hat beispielsweise dennoch einen Wohnort, an dem er seine Wochenenden verbringt und an dem seine Familie wohnt. Eine reine Briefkastenadresse oder eine Mietwohnung, die auf dem Papier besteht, die der Schuldner de facto aber nie betritt, gelten allerdings nicht als nachweisbarer Wohnort.

Strom-, Wasser- und Telefonanschlüsse als Nachweis

Als Nachweis dafür, dass Sie tatsächlich an einem bestimmten Ort wohnen, können Stromanschlüsse, Wasser-Verbrauchsrechnungen und Telefonanschlüsse dienen. Diese belegen, dass tatsächlich ein Verbrauch stattfindet und das Leben und Wohnen von dem nachgewiesenen Ort aus verwaltet wird.

Bankkonto im Ausland eröffnen - ein Muss

Laufende Rechnungen von einem Bankkonto im Ausland zu begleichen, ist in vielen Ländern nicht üblich und auch das Abheben von Geld kann teuer werden, wenn man kein Bankkonto in dem EU-Mitgliedstaat hat, in dem man lebt. Daher ist ein Konto vor Ort immer auch ein Indiz für den Lebensmittelpunkt.

Soziale Kontakte und kulturelle Aktivitäten

Auch wenn es erst einmal merkwürdig erscheinen mag, so können soziale Kontakte und Hobbies für das Gericht ein Hinweis auf Insolvenztourismus liefern. Wenn Sie an Ihrem beim Gericht für das Insolvenzverfahren angegeben Wohnort keinerlei Freizeitaktivitäten nachgehen und dort keinerlei soziale Kontakte pflegen, kann dies ein Hinweis dafür sein, dass sich Ihr Lebensmittelpunkt woanders befindet. In diesem Sinne können soziale Medien einen wichtigen Beitrag für Sie leisten. Es kann für das Insolvenzverfahren also einen Unterschied machen, ob Sie per Facebook am Lebensmittelpunkt mit Freizeitaktivitäten zu sehen sind oder stattdessen an jedem Wochenende von ganz woanders aus posten.

Lohn- und Arbeitsbescheinigungen

Haben Sie nachweislich einen Arbeitgeber vor Ort, ist dies ein wichtiger Hinweis für das Center of Main Interest. Befindet sich das Unternehmen, für das Sie arbeiten, in einem anderen Staat, muss dies kein Ausschlusskriterium sein. Dann ist aber günstig, wenn beispielsweise aus dem Arbeitsvertrag hervorgeht, dass Sie in dem Mitgliedstaat arbeiten, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll. Diesbezüglich wird erneut die Bedeutung deutlich, die ein inländisches Bankkonto haben kann, auf dem Sie Lohn oder Gehalt beziehen.

Familie und Kinder

Ziehen Sie ins Ausland, Ihre Ehefrau und Ihre Kinder bleiben jedoch an Ihrem alten Wohnort wohnen, dürfte dies schnell dazu führen, dass Ihr Center of Interest in einem Insolvenzverfahren in Frage gestellt wird. Daher ist bei einem Umzug ins Ausland wichtig, dass die Familie mitzieht.

Wollen Sie sichergehen, hinsichtlich des Lebensmittelpunkts alle Anforderungen zu erfüllen, lassen Sie sich am besten beizeiten von einem Rechtsanwalt und/oder Experten für die EU-Insolvenz beraten. Wir stehen Ihnen diesbezüglich gern zur Verfügung. Wenden Sie sich gern auch an uns, wenn Sie aus der Schweiz stammen und Fragen zur Irland-Insolvenz haben.

 
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EU-Insolvenz in Irland: Insolvenz ohne Insolvenzverwalter

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Fremdantrag - Insolvenzantrag durch den Gläubiger